Parfum-Inhaltsstoffe: Animalische Noten in Winterdüften

Es wird leidenschaftlich: Jetzt führen animalische Noten mit warmem, intensivem Charakter die heimliche Hitlist der Parfum Inhaltsstoffe an – für neue, sinnliche Winterdüfte.

von Daniela Jambrek

14. November 2019

Frau riecht an Parfumflasche

© Maskot/Getty Images

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Auch Jahrzehnte nach der Lancierung des legendären Yves Saint Laurent-Parfum Klassikers „Kouros“ im Jahr 1981 fällt das Urteil des weltbekannten Biophysikers, Geruchsforschers und Parfumkritikers Luca Turin absolut überschwänglich aus:

"Die Struktur dieses Duftes ist nach wie vor überraschend neuartig, augenblicklich erkennbar und absolut unmöglich zu imitieren – ein sehr seltener Fall in der Parfumkunst. Das Werk eines Genies."

Einzigartige Duftnoten

Der Parfum-Experte und Autor des 2008* erschienenen „Perfumes The A-Z Guide“ nannte „Kouros“ ein „Zeugnis für die Brillanz seines Schöpfers.“ Das Geheimnis von „Kouros“ – eigentlich ein klassischer, aromatischer Chypreduft – ist der (un-)gehörige, ungeheuer deutliche Unterton, den Meister-Parfumeur Bourdon der Kreation verlieh: animalisch!

Als der Duft Premiere feierte, waren die Meinungen – wie meist bei neuartigen Meisterwerken – sehr geteilt. In England beispielsweise waren Frauen und Männer gleichermaßen heiß auf das „göttliche“ Zeug – „Kouros“ war dort 25 Jahre lang in der Bestsellerliste zu finden.

In Deutschland dagegen galt das Yves Saint Laurent-Parfum im mattweißen Flakon als Duft für, nun, heute würde man wohl sagen – Connaisseur. Inzwischen ist „Kouros“ zum international verehrten Parfum-Klassiker avanciert.

Die 1980er Jahre: Breite Schultern waren Pflicht – das galt auch für Duftnoten

Folgen Sie uns gedanklich zurück in die 1980er Jahre. Typisch für damals: Aerobic-Neon-Outfits, Abba, AHA, Kim Wilde – und Telly Savalas, der „Some broken hearts never mend“ sang. Im TV liefen Miami Vice und Dallas. Und immer dabei: sehr breite Schultern.

Das galt auch für Düfte, vor allem, wenn sie an Damen gerichtet waren: Von Lancômes „Magie Noire“ über „Ysatis“ von Givenchy zu „Obsession“ von Calvin Klein – man traute sich was. Starke Düfte waren gefragt – für ein selbstbewusstesMein schönstes Ich!"

Besonders beliebt an diesen Kreationen war der warme, sinnliche, oft etwas „schmutzige“, manchmal auch dunkle, aber immer ungebändigt anziehende, leidenschaftliche Unterton – in der Parfumwelt „animalisch“ genannt.

Was als animalisch empfunden oder bezeichnet wird, ist die Facette einer komplexen Duftkomposition – meist die starke Basis, die mit körperlichen Gerüchen assoziiert wird. In der traditionellen Parfümerie wurden dafür tierische Parfum-Inhaltsstoffe wie Moschus, Castoreum, Zibet oder Ambergris eingesetzt.

Dazu gibt es Rohstoffe, die einen animalischen Effekt erzeugen oder von den Geruchsrezeptoren in diese Schublade gelegt werden. Das sind überwiegend Harze, wie zum Beispiel Styrax, Benzoin und Cistus labdanum – als Mischung meist mit der Duftnote „Amber“ oder „Bernstein“ bezeichnet.

Good News: Tierische Parfum-Inhaltsstoffe sind aus der Duftwelt fast verschwunden

Der wohl bekannteste tierische Parfum-Inhaltsstoff ist Moschus, ein Sekret des Himalaya-Moschuswildes, das sowohl für seinen Geruch, als auch für seine fixierenden Eigenschaften verwendet wurde.

Auch Castoreum erfreute sich großer Beliebtheit, ein Stoff, der auch „Biebergeil“ genannt wird. Mehr Information bedarf es an dieser Stelle wohl nicht.

Zibet wurde aus den Drüsen der Zibetkatze gewonnen und Ambergris, auch Ambra genannt, ist eine seltene und wertvolle Ausscheidungsart des Pottwals, deren charakteristischer, reicher und mariner Geruch sich nach Jahren des Schwebens im Meer und in der Sonne entwickelt.

All diese Ingredienzien sind aus der klassischen Parfümerie (fast vollständig) verschwunden und durch „Kunst“-stoffe ersetzt worden. Dafür gibt es mehrere Gründe – in erster Linie finanzielle.

Wer ein erfolgreiches Parfum auf den globalen Markt bringen möchte, braucht relativ große Mengen des Rohstoffs – was bei tierischen Extrakten weder realistisch noch bezahlbar ist. Aber auch das glücklicherweise wachsende Bewusstsein für eine ethisch korrekte Lebensweise und die Rechte der Tiere spielen eine Rolle. Die „Animals“ waren jedenfalls erst einmal out.

Unendliche Möglichkeiten durch raffinierte Parfum-Inhaltsstoffe aus Laboren

Allerdings wurden die animalischen Düfte sehr vermisst. Es dauerte also nicht lange, bis in den Laboren der großen Dufthäuser, wo klassische mit technischen Parfümeuren zusammenarbeiten, immer raffiniertere Molekülarbeiten entwickelt wurden, die Moschus und seine Verwandten ersetzten: die Aroma Chemicals.

Wenn auch nicht 1:1, so können die Aroma Chemicals doch die meisten Facetten der tierischen Ingredienzien in einer Parfumformel darstellen. Und es geht noch mehr mit den künstlichen Alternativen:

Man ist jetzt zum Beispiel in der Lage, einem zu wilden Moschus-Duft den „Hinterhof-Straßen-Slang“ abzugewöhnen und ihm stattdessen einen cremigen oder sogar frischen Akzent zu verleihen.

Nicht zuletzt sind es diese Möglichkeiten, die das Parfumhandwerk und die Kreation von Eaus und Parfums so faszinierend machen und unendliche Möglichkeiten in Sachen neue Parfums eröffnen.

Vergleichen Sie zum Beispiel einmal „APOM pour Homme“ von Maison Francis Kurkdjian und „Figment Man“ von Amouage. Beide haben animalische Untertöne.

Ohne Ausbeutung der Natur entstehen raffinierte „animalische“ Parfum-Inhaltsstoffe

Ohne tierische Bestandteile, ohne Ausbeutung der Natur können wir uns also jetzt zum Winter wieder an intensiven und warmen Charakterdüften reiben und uns sinnlichen neuen Parfums in die Arme werfen. 

Nach der beschwingt leichten Welle mit Parfum-Inhaltsstoffen wie Florientals und Fruitientals und noch frisch-fruchtigeren Kreationen sehnen wir uns schon ein bisschen nach ungebändigter „Wildnis“. Versuchen Sie doch mal „Musk“ von Etro oder „Rose Noir“ von Byredo.

Den größten Einfluss auf das Comeback starker Düfte hatte der Parfum-Inhaltsstoff Oud

Den größten Einfluss auf das Comeback der „Animals“ hatte eine Welle, die vor etwa zehn Jahren begann und zu einer Big Wave geworden ist: Oud!

Das Öl, das aus dem mit Pilzen infizierten Holz von Aquilaria-Bäumen gewonnen wird, besticht mit einem komplexen und sehr unterschiedlichen Geruchsprofil, einschließlich honigsüßer, balsamischer, fruchtiger, ledriger – und animalischer Noten.

Und wieder war es ein großartiges Yves Saint Laurent-Parfum (diesmal komponiert von den Stars Jacques Cavallier und Alberto Morillas), das dem Trend weit voraus preschte: „M7“.

Wer schon etwas länger jung ist, wird sich erinnern, dass Tom Ford erst Gucci und dann Yves Saint Laurent ein sexy Image verpasste und in der Werbekampagne von „M7“ auf einen sehr „schönen Wilden“, aka behaarten Mann, setzte.

2002 war die Zeit noch nicht reif. Weder für mehr Haar, noch für ein wenig Oud am Mann. „M7“ wurde zügig vom Markt genommen. Neun Jahre später allerdings, nämlich 2011, bekam „M7“ seine zweite Chance – als „Oud Absolu“.

Tauchten da nicht auch die ersten Hipsterbärte auf…?!

* Leider nur in englischer Sprache; Im Sommer 2018 erschien Luca Turins neuer Guide, in dem er mit seiner Partnerin und Co-Autorin Tania Sanchez nur die Nischenduftwelt beleuchtet, auch nur in Englisch „Perfumes The Guide 2018“.

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